AFP-Komunikat (Französische Presseagentur)
Das mit den schlechten Zahnärzten in Osteuropa ist nach Ansicht von Tommy Hansen "so ein altes Klischee". "Genau wie es immer heißt, die Franzosen essen den ganzen Tag lang Knoblauch, und in Italien herrscht das Chaos". Deshalb habe er unlängst beschlossen, sich das selbst anzuschauen und in Polen zum Zahnarzt zu gehen. Im Internet habe er die Praxis hier in Stettin ausfindig gemacht - und sich dann doch gefragt: "Wissen die wirklich, wie man Zähne behandelt?" Nach der Voruntersuchung hätte er auch einfach wieder gehen können. "Ich hatte nichts zu verlieren."
Mittlerweile sei er zum zweiten Mal hier in Hahs' Zahnklinik, erzählt der 49-jährige Däne, der in Kopenhagen die Niederlassung einer deutschen Klimatechnik-Firma leitet - und er werde wiederkommen. "Hier ist alles auf höherem Niveau als bei dem Zahnarzt, bei dem ich in Dänemark war." Noch dazu spare er "eine Menge Geld". Für die Brücke, die er sich machen lasse, zahle er hier nur ein Fünftel. Seine erste Reise nach Stettin habe ihn 25 Euro gekostet, sagt Hansen. Im Preis inbegriffen: die siebenstündige Busfahrt, übernachtung und Frühstück "im besten Hotel der Stadt", die erste Untersuchung.
Ein schlammiger Weg führt zu der Villa, in der das Team von Zbigniew Hahs arbeitet. Vor dem Empfangstresen drei Stühle, ein Wartezimmer gibt es nicht. Auf einem Tischchen liegen Broschüren der Zulieferer aus. "Fast unser ganzes Material kommt aus Deutschland, der Schweiz und Amerika", sagt Hahs' Schwiegersohn Marcin Gaborski, der die Klinik leitet. Die Ausstattung sei "auf dem neuesten Stand der Technik", und zwar nach europäischem Standard.
Im perfekt sitzenden Anzug, mit glänzenden Schuhen und ordentlich gescheitelten Haaren führt der 30-Jährige den Besuch durch die Behandlungsräume. Sieht die Klinik eingangs noch ein wenig duster aus, strahlen die Behandlungsräume umso heller: Leuchtendes Gelb an den Wänden, acht moderne Behandlungsstühle ("aus Deutschland und Italien"), Sony-Fernseher an der Wand. "Unsere Patienten können die Zahnbehandlung am Bildschirm mitverfolgen."
Auf Bilder aus seinem Mund legt Martin Behling weniger Wert - ihm geht es um die Spezialisten. "Ich habe Parodontitis und möchte mich von jemandem behandeln lassen, der sich auskennt", sagt der 33-Jährige aus Rügen. Auf die Zahnklinik in Stettin sei er "durch Zufall" im Internet gestoßen. "Europa wächst zusammen, da kann man ja auch mal nach Polen zum Zahnarzt fahren", habe er sich gedacht.
Tatsächlich könne sich die osteuropäische Konkurrenz zu einem Problem entwickeln, sagt der Rostocker Zahnarzt Gerald Flemming. "Letztendlich sind wir auch nur eine Dienstleistung." Gerade in Ostdeutschland würden die meisten auch künftig nicht genug für teure Behandlungen verdienen und sich deshalb vielleicht "nach Angeboten im Osten umschauen" - zumal in Zeiten der Eigenverantwortung. Bislang sei es aber nicht so, "dass die Patienten in Scharen nach Polen fahren", sagt Flemming, der im Vorstand der Zahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern sitzt.
Tommy Hansen hat die Zahnbehandlung hinter sich. Auf die älteste aller Zahnarztfragen, ob es weh getan hat, sagt er: "Ich bin eingeschlafen. Das ist mir noch nie passiert."
(AFP)